Was der Fußball vom American Football lernen sollte

Veröffentlicht von NicoE am

Am kommenden Wochenende hat das große Warten endlich ein Ende. Nein, ich meine nicht, dass mit dem DFB-Pokal wieder die deutsche Pflichtspielsaison anfängt. Ich meine, dass in der Nacht von Donnerstag auf Freitag auch wieder die Saison der National Football League (NFL) beginnt.

Der Volkssport von Übersee erfreut sich jährlich immer größerer Bedeutung in Deutschland und in diesem Jahr werden sogar erstmals Sonntagsspiele auf Pro7 im Hauptprogramm gezeigt. Stetig wachsen auch hier die Fangruppen, der SuperBowl ist genauso mit „rot“ im Kalender markiert wie beispielsweise das Champions League-Finale. Aber woran liegt das?

NFL zeigt der Bundesliga wie Spannung geht

Das Ganze hat wohl viele Gründe, aber im Vordergrund steht die hohe Spannung während der Football-Saison. Beispiel: Seit 2009 hat außer den New England Patriots (3 Titel) keine Mannschaft die sogenannte Vince Lombardi Trophy mehr als einmal gewonnen. Dahinter stecken ein genaues Konzept und die Frage, was kann eigentlich der geliebte Fußball vom Sport mit dem Ei aus den USA lernen.

Zunächst einmal muss aber gesagt werden, dass einige Vorgehensweisen aus Nordamerika in Europa gar nicht umsetzbar wären. Die Stimmen nach einem Draft, also einem Auswählen der großen Talente anhand einer Setzliste, wurden zuletzt immer wieder lauter. In den USA werden die jungen Spieler an Colleges (vergleichbar mit unseren Universitäten) ausgebildet. Diese Universitäten haben also gar keine Möglichkeit, selbst um Titel zu spielen. In Deutschland werden Spieler früh in die Nachwuchsleistungszentren transferiert und für einen Einsatz in der eigenen Herren-Mannschaft ausgebildet. Ein Draftsystem wäre hierzulande also gar nicht umsetzbar. Deshalb soll es im weiteren Text um Verbesserungen gehen, die auch in Europa durchaus durchsetzbar sind.

16 Spiele und dann geht es um Alles

Dass es in der NFL so eine große Spannung gibt, hängt zuallererst natürlich am Spielplan. Während es in Europas Topligen vorrangig Saisons mit Hin- und Rückrunden gibt, setzt sich hier zumeist die Mannschaft durch, die am wenigsten Fehler macht. Dass man trotz vier, fünf oder sechs Niederlagen am Ende noch Meister wird, ist üblich. Im American Football ist das anders: Jedes Team hat in der regulären Saison 16 Spiele – nur die besten 14 der 32 Teams kommen in die Play-offs. Das heißt: Jede Partie zählt. Niederlagen tun doppelt weh und verschlechtern die Ausgangsposition direkt.

In den Play-offs geht es dann in einem Spiel um Alles. Siegen oder Fliegen. Ähnlich wie im DFB-Pokal sind so ein paar Überraschungen vorprogrammiert und an der Tagesordnung. Es wäre eine Möglichkeit, die Münchener Dominanz zu durchbrechen.

In der NFL wird dazu in Konferenzen und Divisionen gespielt. Vielleicht schwach vergleichbar mit den deutschen Regionalligen. Zwar spielen die Teams auch gegen Mannschaften aus anderen Divisionen einen sicheren Play-off-Platz haben aber nur die, die ihre Division gewinnen. Man stelle sich einfach nur einmal vor, wenn Dortmund, Schalke, Bielefeld und meinetwegen Bochum Jahr für Jahr um einen einzigen Endrundenplatz kämpfen. Das stärkt die regionale Rivalität und erhöht die Spannung.

Zwar sind die Divisionen in Deutschland natürlich aufgrund der Auf- und Absteige sehr schwer realisierbar, es gäbe aber durchaus die Möglichkeit, eine einfache Hinrunde mit 17 Spieltagen zu spielen und dann meinetwegen die ersten 8 eine Meisterrunde beziehungsweise die letzten 8 eine Abstiegsrunde absolvieren zu lassen. Die belgische Liga ermittelte ihre Titelträger schon länger nach diesem Format.

Salary-Cap bringt Gleichheit

Das Stichwort Salary-Cap ist mittlerweile auch schon in aller Munde. Es bedeutet, dass jede Mannschaft nur ein gewisses Gehalts-Budget zur Verfügung hat. Egal, ob es finanzielle Hilfe aus Katar gibt oder nicht. Kauft sich ein Team also einen absoluten Superstar, müssen weitere teurere Transfers in Zukunft ausbleiben. Eine Vormachtstellung für Mannschaft wie Real Madrid, Turin oder Bayern München wäre damit wohl vom Tisch, es sei denn, sie investieren viel in die Ausbildung der eigenen und günstigen Talente.

Als letzten Punkt muss hier unbedingt die Fairness angesprochen werden. Während hierzulande „Schwalben-Könige“ wie Neymar Millionen verdienen, ist das in der NFL in dieser Form gar nicht möglich. Erstens kann fast jeder Spielzug vom Schiedsrichter noch einmal überprüft werden. So sind Schwalben oder versteckte Unsportlichkeiten kaum möglich. Dazu stehen hinter Tätlichkeiten meist sehr harte Strafen. Defensiv-Talent Myles Garett wurde im vergangenen Jahr zum Beispiel wegen eines Helmschlags für ein ganzes Jahr gesperrt. In Europas Fußballligen sind solche Strafen fast undenkbar.

Generell herrscht in amerikanischen Sportarten ein unglaublicher Mannschaftsgeist. Sobald ein Spieler am Boden liegt, knien seine Kollegen auf dem Boden und wünschen so gute Besserung. Muss der Verletzte sogar abtransportiert werden, gibt es zumeist Applaus – und zwar vom eigenen Team, den Gegner und allen Fans.

NFL-Spieler mit großer Vorbild-Funktion

Auch bei dem Stichwort Charity ist der American Football dem Fußball ein großes Vorbild. Frage an euch: Wusstet ihr, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nach dem Spiel gegen die Schweiz 235.851 Euro für die Deutsche Sporthilfe gespendet hat? Nein? Keine Angst, so wird es hierzulande wohl Einigen gehen.

Charity-Aktionen bleiben zumeist eher ein bisschen weg vom Rampenlicht. In den USA dagegen möchte man das in den Vordergrund rücken. Football-Spieler sind selbst fast täglich Werbegesichter von solchen Kampagnen und möchten ganz direkt auf Probleme in der Welt hinweisen. Die NFL vergibt sogar jährlich den „Walter Payton Man Of The Year Award“ für den Spieler, der sich durch soziales Engagement besonders hervorgetan hat. Ein Vorbild für die Bevölkerung und eben nicht nur ein Spieler der Lieblingsmannschaft.

Zugegeben muss man aber auch sagen, dass in Deutschland ab und zu auch Spieler angemessene Anerkennung für ihr Einsetzen bekommen. Goretzka und Kimmich beispielsweise bekamen für ihre Aktion „WeKickCorona“ und die gespendeten 3 Millionen Euro große Aufmerksamkeit. Dennoch ist das mit den USA kaum vergleichbar.

Klar, ein paar dieser Punkte sind in Europa reines Wunschdenken und sind auch speziell nur in den USA möglich, weil die Liga eben dort nur in einem Land spielt. Dennoch glaube ich, dass die NFL dem europäischen Fußball durchaus in vielen Situationen ein großes Vorbild sein kann. Es bleibt abzuwarten, ob sich vielleicht hier und da sogar etwas abgeschaut wird.

Kategorien: Bundesliga